Ausgestattet mit der schriftlichen Matura in der Tasche, einer Menge Sonnencreme, Schokoladenriegel und voller Vorfreude der italienischen Mentalität auf den Grund zu gehen, machten wir uns gemeinsam mit den 7. Klassen am 15. Mai für eine Woche auf den Weg in das wunderschöne Belpaese. Nach einer Busfahrt, die gefühlt eine halbe Ewigkeit dauerte, kamen wir schließlich in der Toscana an, die uns mit herrlichen 35 Grad begrüßte. Unsere Gastfamilien erwarteten uns außerhalb von Lucca, um uns in die kunstvolle Altstadt zu kutschieren, wo wir wohnen würden. Wir wurden elegant aus dem Auto buxtiert, weil unsere Gastmutter, die übrigens eine Stoffhandtaschenkünstlerin war, noch unsere anderen sprachlichen Leidensgenossinnen Lisa und Lena abholen musste. Wir saßen also auf diesem grauen Platz und philosophierten über unsere Entscheidung und unsere mangelnden Sprachkünste. Schnell wurden wir aber wieder aus unseren Gedanken gerissen, denn unsere Gastmutter erwartete uns bereits mit hervorragenden Kochkünsten: Gli spaghetti con tonno! Die durch das gute Essen neu erwachte Hoffnung verpuffte als wir unsere Zimmer sahen: Eine Dachkammer, die einem stickigen Hochsicherheitsverlies mit Knastkatze namens Dima glich. Doch man soll nicht übertreiben: Auch, wenn der erste Eindruck ernüchternd war, stellte sich die Dachkammer als gemütlicher Ort heraus, der einen wunderschönen Ausblick über die Dächer von Lucca bot und durch Saxofonmusik ein Tor in eine andere, längst vergangene Zeit öffnete.
Bereits am ersten Abend erkundeten wir die Stadt und stellten fest, wie viele wunderbare Plätzchen es gibt, die zum Nachdenken, Tratschen und Philosophieren anregten. An der Mauer beobachteten wir den Sonnenuntergang. Die nächsten Tage folgten unvergessliche Erlebnisse: Ein Sprachkurs voller älterer Damen und Herren, die uns viel übers Leben erzählten, buon pizza, guter Wein, eine Erklimmung des berühmten begrünten Torre Guinigi, ein Ausflug nach Pisa und Stadtführungen durch Lucca und Florenz. Wir sahen auch den berühmten Ausblick über Florenz, den Schüler und Schülerinnen nur von der Titelseite des Italienisch-Buchs kennen. Gemeinsam mit Universalgenie Frau Professor Kemmer bestaunten wir die Gemälde der Uffizien und lauschten den geschichtlichen und philosophischen Ausführungen unserer Professorin.
Die Zeit rauschte wie im Flug vorbei und gerade als wir anfingen uns heimisch zu fühlen, war der Aufenthalt zu Ende. Auf der nächtlichen Busfahrt geisterten uns Bilder der Altstadt vor dem inneren Auge: Die schmalen, gepflasterten Gassen, die geschwungenen Balkone, die Dachterrassen, auf denen sich Freiheit und Himmel verschmolzen, die warmen Morgen, als bereits nach dem Augenaufschlag die Straßenmusik und das Möwengeschrei ans Ohr drang und der Duft von frischem Kaffee in die Nase stieg. Die Sprachkurse, in denen wir eine Ahnung bekamen, wie randvoll das Leben sein kann und wie schnell die Zeit vergeht, als wir verstanden, dass wir frei sein durften, in unserer Sprache, dass es uns erlaubt war, Fehler zu machen und Blödsinn zu reden.
Wir verstanden, dass Sprache lebendig ist. Sie will gesprochen werden. Zuvor hat sie in uns geschlafen und wurde durch Zweifel zurückgedrängt. Jetzt ist sie aufgewacht. Nun sind wir gewappnet für die mündliche Italienisch-Matura und werden uns gedanklich an den Strand von Viareggio zurückversetzen! 😊
Katharina Schlemmer und Viktoria Knoll