Endlich wieder Sprachwoche!
Juni 18, 2022EUROLINGUA
Juni 26, 2022Philosophie bedeutet „Die Liebe zur Weisheit“. Diese Liebe war es, die mich am 27. Mai 2022 dazu brachte, gemeinsam mit Moritz Mattersberger, Barbara Conrad und Heribert Reich nach Lissabon zu fliegen. Natürlich waren die Gründe neben der Liebe auch unsere guten Platzierungen bei der österreichischen Philosophie-Olympiade in Salzburg. Gibt es oft andere Gründe neben der Liebe? Stopp! Ich sollte nicht ins Philosophieren abdriften. Moritz und ich saßen also im Flugzeug und sahen Österreich immer kleiner werden. Es war mein erster Flug und ich dachte auch mein letzter, als ich vorm Einsteigen sah, wie der orkanartige Wind den Hut einer Frau regelrecht durch die Luft katapultierte. Im Flieger beschloss ich die anderen Passagiere zu beobachten, für die ein Flug wahrscheinlich Routine war, um mich etwas zu beruhigen. Ich drehte mich um. Auf dem Sitz hinter mir hatte ein etwas korpulenterer Mann Platz genommen, der seine Hände zum Gebet gefaltet hatte und beschwörende Formeln murmelte. Mein Kopf schnellte zurück. Das war keine gute Idee gewesen.
Doch allmählich legte sich meine Anspannung und ich stellte fest, dass Fliegen doch angenehmer war, als gedacht und nicht wie erwartet, einem luftigen Höllenritt glich. Ich verlor mich in den Weiten der Landschaft unter mir, in der Linie zwischen Himmel und Erde, die verschwamm und es unmöglich machte zu erkennen, wo die Erde aufhörte und der Himmel anfing und in unserer menschlichen Nichtigkeit. Während ich über unseren grenzenlosen Egoismus sinnierte, der uns dazu bringt, uns über alles zu stellen und in der Illusion zu leben, unsere Probleme seien die einzigen in diesem Universum, bemerkte ich, dass ich mich selbst auf eine gottgleiche Position stellte, nur weil ich in einem Flugzeug saß. Nach dieser bestürzenden Realisation und einiger Zeit später kamen wir heil auf dem portugiesischen Antlitz der Erde an – und ich lebte!
Fast hätte ich den Boden geküsst – aber nur fast! Da die Erinnerung kein glatter Teppich ist, sondern ein Labyrinth aus bunten Gefühlsflecken, werde ich versuchen die stärksten einzufangen: Das Essay-Schreiben selbst war am ersten Tag vorbei. Nach guten drei Stunden Schlaf schrieben wir vier Stunden unsere Essays zu philosophischen Zitaten. Wir erlebten vier ereignisreiche Tage, die geprägt waren von interessanten Bekanntschaften, Gesprächen, die sich mal in der Tiefe, mal auf der Oberfläche bewegten. Es waren insgesamt über 80 Menschen aus 53 Ländern. Wir philosophierten und lachten. Vor allem aßen wir viel. Das Essen war himmlisch. Wir erlebten einen Ausschnitt der portugiesischen Kultur und Musik, tanzten zum traditionellen „Figo“, lauschten Vorlesungen von Steven Law von der Oxford University und anderen hochgebildeten Vortragenden. Wir aßen in einem Hotel mit Meerblick, wo Kellner in Fliege und Anzug herumstolzierten und ihr Tablett über den Köpfen der Gäste mit solchem Enthusiasmus schwangen, dass ich in jeder Sekunde ein Unglück erwartete. Doch sie waren höchst professionell. Wir lauschten einer Teilnehmerin aus Russland, die sich an den Flügel setzte und wunderbar spielte. Währenddessen blies der Wind die Vorhänge zur Seite, als riefe das Meer: „Ich will auch zuhören!“ Ein paar Noten schaukelten hinaus, doch ob sie tatsächlich beim Meer ankamen, wird wohl ein Geheimnis bleiben…
Es waren Tage, die wie im Flug vergingen, weil sie so bunt und ereignisreich waren. Die Siegerehrung wurde mit einem Heavy-Metal-Konzert der Band „Moonspell“ zu einem Highlight. Es gab Urkunden, die in Form von „Honored Mentions“, also ehrenvollen Erwähnungen, ausgeteilt wurden. Eine davon habe ich bekommen. Den ersten Platz teilten sich Deutschland und Italien. Nach der Abschlusszeremonie gab es viele Umarmungen und auch Tränen. Die Menschen reisten wieder in ihre Heimat, doch sie nahmen nicht nur ihren Koffer mit. Auch viele gemeinsame Erinnerungen, neugewonnene Freunde und die Hoffnung auf ein Wiedersehen.
Wenn eine Realisation bleibt, dann jene, dass Ländergrenzen uns nicht trennen sollten. Nicht einmal kulturelle Unterschiede. Nicht einmal Sprachbarrieren. Wir sind gleich. Wir sind alle Menschen. Wir lachen, weinen, wir leiden und lieben alle gleich. Wären wir nicht alle durch die Philosophie verbunden gewesen, gäbe es immer noch einen gemeinsamen Nenner: Die Menschlichkeit.
Viktoria Knoll, Mediengruppe